Südostschweiz Artikel Seite 2
Montag, 15. Mai 2023
«Der Dudelsack
ist wie Ziger,man
mag ihn oder nicht»

Das wird laut: Die teilnehmenden
Bands versammeln sich vor
dem Rathaus zum Platzkonzert.
Bilder Sasi Subramaniam

Am Samstag haben in Glarus 200 Pipers und Drummers aus der ganzen Schweiz das
40-jährige Bestehen der Glaronia Pipes and Drums gefeiert. Pipe Major Rolf Kamm
erzählt, warum er schon seit 30 Jahren dabei ist.

von Denise Aepli

Die Glaronia Pipes and Drums feierten am Samstag zusammen mit vielen anderen Schweizer Pipebands ihr 40-Jahre-Jubiläum in Glarus. 200 Pipers und Drummers nahmen an der Parade teil. Dabei waren 17 Gruppen aus zwölf Kantonen, die Harmoniemusik Glarus und ein Fanfarenzug aus Ochsenhausen in Deutschland. Für Rolf Kamm ist es ein «bombastisches Gefühl», in so grossen Bands zu spielen. Seit 1992 ist Rolf Kamm bei den Glaronia Pipes and Drums und seit 20 Jahren ist er Pipe Major.Er leitet die Proben und Auftritte und arrangiert neue Stücke. Sein Vorgänger und Gründer der Band,Hanspeter Ricetti,tat das auch 20 Jahre lang.Rolf Kamm,der 49-jährige Historiker, hat schon früh eine Leidenschaft fürs Militär und Grossbritannien entwickelt und verfiel dem Dudelsack, als er sich 1989 in einem Pfadilager in Schottland eine Dudelsackkassette gekauft hatte.Für ihn ist der Dudelsack wie Ziger und die Band ein bisschen wie die Landsgemeinde.

Rolf Kamm, die Glaronia Pipes and Drums feiern ihr 40-jähriges Bestehen und zählen heute 20 Mitglieder. Was ist das Erfolgsrezept?

Es ist die Art, wie wir funktionieren. Ich sage immer, wir sind eine Landsgemeinde-Band. Es gibt Diskussionen und die Mehrheit gewinnt. Das ist ein gutes Konzept, denn so entsteht ein Zusammenhalt in der Gruppe. Und wir waren nicht schon immer so viele.Wir haben eine lange Tradition und eine grosse Kontinuität. Es hat mit den Leuten und dem Erfolg zu tun, dass ich schon 30 Jahre dabei bin. Es kommen immer wieder neue Leute dazu, aber die Band verändert sich nur sanft, und nicht ins Schlechte. Das schätze ich sehr.

Was macht ein Fanfarenzug aus Deutschland an einem Pipes-and Drums-Jubiläum?

Mit denen pflegen wir eine langjährige Beziehung und waren oft bei ihrem Öchslefest dabei. Ihre Landsknechttrommeln und Posaunen sind immer etwas Feierliches. Man steht plötzlich gerade, weil man denkt, jetzt kommt dann ein König. Ich persönlich mag es.

Wie ist es für Sie, wenn sich einige im Publikum die Ohren zuhalten?

Das stört mich nicht. 200 Pipers und Drummers sind schon sehr laut, bis zu 140 Dezibel. Und ich hätte bei gewissen Dudelsackspielern auch schon gerne die Ohren zugehalten, weil es nicht gut geklungen hat.

Kein einfaches Instrument: Zehn Jahre dauerte es, bis Rolf Kamm das Dudelsackspielen beherrschte.
Bild: Sasi Subramaniam

Vor etwa zehn Jahren starb ein Dudelsackspieler, weil er seinen Dudelsack nie reinigte und sich darin Schimmelpilz gebildet hat.

Davon habe ich gehört. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das passiert ist. Mein Dudelsack ist zum Glück aus Gore-Tex und ihn muss ich nicht reinigen. Früher waren die Dudelsäcke komplett aus Leder. Das Reinigen solcher Dudelsäcke hat offenbar bestialisch gestunken.

«Ich hätte
bei gewissen
Dudelsackspielern auch
schon gerne die
Ohren zugehalten,
weil es nicht gut
geklungen hat.»

Das Wort «dudeln» wird im Wörterbuch als «kunstloser Klang», «nervenzermürbende Musik» und «minderwertiges Musizieren» beschrieben. Woher kommt diese Ablehnung?

Der Dudelsack ist ein Instrument der Volksmusik.Und schon immer unterschied man zwischen elitärer Musik und der Musik des Volkes. Der Dudelsack ist laut und wird mit einem Volksfest, Tanz und Party konnotiert. Und das musste die Obrigkeit unter Kontrolle halten, sie wollte ein gesetzestreues und bibelfestes Volk. Darum gibt es auch Darstellungen vom Teufel mit Dudelsack. Aber natürlich ist es Unsinn. Dudelsack kann man,wie die Geige, in Perfektion spielen. Der Dudelsack ist ein Instrument aus dem Mittelalter, und er wurde früher in ganz Europa gespielt. Wahrscheinlich haben unsere Vorfahren hier vor den Schotten Dudelsack gespielt. In Randregionen überlebte der Dudelsack. In Spanien zum Beispiel wird er auch heute noch gespielt.

Dann ist es schwierig, Dudelsack zu lernen?

Spielt man zum ersten Mal Dudelsack oder Geige, klingt das furchtbar. Und man muss lernen, den Dudelsack zu halten: Wenn er nicht aufgeblasen ist, kann man ihn nicht halten. Kann man ihn nicht halten, kann man ihn nicht spielen (lacht). Das ist schon eine mühsame Geschichte, und die Erfolgserlebnisse lassen länger auf sich warten. 1994 spielte ich nach zweijähriger Erfahrung ein Konzert und bin froh, dass ich mich damals nicht aufnehmen konnte. Erst nach zehn Jahren konnte ich das Instrument beherrschen, aber ich bin auch ein lernfauler Mensch.

Was fasziniert Sie am Dudelsack?

Ich bin ein Grossbritannien-Fan. Es sind faszinierende Länder. Die Krönung von King Charles – egal, was man von der Monarchie hält – war wunderschöne Perfektion. Ein wenig wie Ballett. Und ich habe auch ein Interesse am Militär, Marschieren finde ich etwas Schönes. Aber der Dudelsack hat mich in Schottland fasziniert,als wir in einem Pfadilager waren. Es war 1989,und ich habe mir eine Kassette mit Dudelsackmusik gekauft und habe sie oft gehört. Und vor allem: In Schwanden, wo ich aufgewachsen bin, gab es ja bereits eine Pipeband.

«In der Schweiz
mögen wir ein
wenig Exoten sein.»

Wie steht es um das Ansehen der Dudelsackspielerinnen und Dudelsackspieler?

In der Schweiz mögen wir ein wenig Exoten sein, wegen der Kilts werden wir aber nicht ausgelacht. Manchmal werden wir gefragt, was wir unter dem Rock tragen, doch das ist mir egal. Der Dudelsack ist wie Ziger, man mag ihn oder man mag ihn nicht. Und weil er so laut ist, ist es unmöglich wegzuhören, es ist ja nicht gerade Liftmusik. Und das mit dem Ansehen ist schon lange kein Problem mehr, schon seit Queen Victoria Kilts und Tartans abgefeiert hat. Damit war sie ein Kind ihrer Zeit. Und als Witwe war ihre wichtigste Bezugsperson – und wohl auch Geliebter – ein schottischer Diener. Auch die romantische Vorstellung der unberührten Natur war damals sehr populär. Schottland ist seither für viele ein Sehnsuchtsort .

Was ist Ihr Lieblingsklang?

Gewisse Akkorde und die Abfolge von hohen und tiefen Tönen berühren mich sehr. Im Stück «Dark Island», das wir auch spielen, kommt das vor. Auch 6/8-Märsche mag ich, sie haben etwas Tänzerisches, darum sagt man ihnen Kilt-Swinger. Und mir gefällt Musik, die einfach ist, ganz ohne Chichi-Zeugs.